Underground Blossom

Fahr mal wieder U-Bahn!

Ich habe es mit U-Bahnen, sowohl ich echt als auch in Computerspielen. Puzzlespiele mag ich auch sehr. Und Spiele, die ein bisschen schräg sind, oder sogar sehr, mag ich besonders. Insofern war Undergrund Blossom ein gefundenes Fressen für mich – ein schräges Puzzlespiel, das in einer U-Bahn spielt, da passt doch auf den ersten Blick alles! Und als ich das Spiel im Autumn Sale für kleines Geld bekommen konnte – normal kostet es mit rund fünf Euro auch nicht viel – habe ich zugeschlagen und dann auch nicht lang gewartet, es auch zu spielen.

Es ist von den Machern der Rusty Lakes-Reihe, und an der Stelle muss ich gestehen, keinen der Vorgänger gespielt zu haben, auch wenn ich sie so ziemlich alle besitze. Es handelt sich um Point-and-Click-Adventures, alle im gleichen, minimalistischen Stil gehalten, mit gedeckten Farben und statisch wirkenden, ernst dreiblickenden Figuren, viele davon anthropomorphe Tiere – ich habe nur einfach viel mehr Spiele, als ich auch spielen kann, und dadurch ist auch diese Reihe bei mir liegengeblieben, obwohl ich sie durchaus faszinierend finde. Aber als jetzt ein Spin-off mit einer U-Bahn kam, da musste ich dann doch ran.

Reglos wartet Lauras Mutter mit ihrem Kind an der ersten Station

Underground Blossom ist kein langes Spiel. Die eigentliche Handlung hatte ich nach etwas über zwei Stunden durch, und weil ich dann im Bonus Content hängengeblieben bin und nicht weitergekommen, bringe ich es jetzt auf gute fünf Stunden Spielzeit – insofern hat das Spiel ein ordentliches Preis-Leistungsverhältnis, wenn man ein Indie-Studio fördern möchte, teurer sollte es in meinen Augen aber nicht sein. Und auch wenn es durchaus ein nettes Spiel war, hat es mich jetzt nicht vom Hocker gehauen – es hätte mehr von allem gebraucht, mehr Puzzle, mehr schräg, und gerne auch mehr U-Bahn.

Über sechs U-Bahn-Stationen verfolgt man die Geschichte von Laura Vanderboom. An der ersten Station ist sie ein Baby im Kinderwagen, in der zweiten ein kleines Mädchen, in der dritten ein Schulkind, und so weiter, bis sie ihm siebten Level, das dann den Kreis zu den restlichen Titlen der Rusty Lake-Reihe schließt, ins Licht gehen kann. Die Stationen bestehen jeweils aus vier Bildern – man dreht sich sozusagen einmal um die eigene Achse und hat eine Nord-, Süd-, Ost- und Westansicht der Station. Auf jeder Station hat man das gleiche Ziel: Ein Ticket erwerben und herausfinden, wann der Zug fährt. Und das ist es auch schon.

Man trifft nur wenige Figuren in diesem Spiel – die Schulkinder dafür im Rudel

Natürlich geht man nicht mit Kleingeld an den Automaten und zieht sich seine Fahrkarte, und natürlich gibt es auch keinen Fahrplan, den man mal eben checken könnte. Wir sind immerhin in einem Point-and-Click-Adventure, und insofern ist das, was man machen muss, mit großer Selbstverständlichkeit absurd und an den Haaren herbeigezogen. Aber selbst wenn man hängt – das meiste lässt sich mit Ausprobieren herausfinden, und das ist nicht einmal schwer, denn es gibt zu wenige Sachen, die man benutzen könnte, und zu wenige Orte, um sie auszuprobieren.

Dabei ist das Spiel stellenweise nicht nur makaber, sondern überreizt auch die Grenzen des guten Geschmacks. Wenn ich einen Mülleimer mit einer explodierenden Kinderwindel sprenge oder meinen Pinsel ins Blut einer überfahrenen Taube tauche, weil ich rote Farbe brauche, ist das ja noch beinahe genretypisch, wenn auch etwas eklig. Als es aber darum ging, einen auf dem elektrischen Stuhl sitzenden Mann erst unter Strom zu setzen und dann weiter zu foltern, war für mich doch eine Grenze überschritten – das war nicht lustig, das hat keinen Spaß gemacht, das war nur beklemmend. Zwar gibt es keine Schmerzensschreie, der Mann bleibt die ganze Zeit über teilnahmslos, bis er mir verrät, was ich wissen will – aber das macht die Szene nicht besser, und ich hätte gern darauf verzichtet.

Ein hinfälliges Trope: Wer Psychopharmaka nimmt, halluziniert

Ebenfalls leicht gestört hat mich eine alptraumhafte Sequenz, in die man gerät, nachdem man an einer späteren Station der erwachsenen Laura Psychopharmaka verabreicht – nicht, dass die Szene nicht gut gemacht gewesen wäre, sie war tatsächlich eines der Highlight des Spieles: Aber ich bin es so, so, so leid, dass Psychopharmaka in Computerspielen immer, jedes Mal, grundsätzlich Halluzinationen hervorrufen. Ich habe eine schizophrene Erkrankung, wegen derer ich seit Jahren medikamentös behandelt werde, und diese Medis sind dazu da, Halluzinationen zu verhindern, nicht umgekehrt. Dieses Trope gehört genauso begraben wie die tausenden von Horrorspiele, die in psychiatrischen Kliniken angesiedelt sind – das sind Orte, in denen Menschen geholfen wird, im PC-Game sind sie hingegen immer Horrorhäuser, aus denen es zu entkommen gilt.

Psychiatrische Krankenhäuser haben wir in Underground Blossom allerdings nicht. Und jenseits dieser einen Pille, die wir Laura verabreichen, spielt ihres psychiatrische Behandlung keine Rolle. Sie ist halt traumatisiert, seit sie als kleines Mädchen mitansehen musste, wie eine dämonische Gestalt mit Hirschskelettkopf ihre Mutter verschleppt hat. Woran wir selbst nicht ganz unschuldig sind. Und richtig helfen können wir Laura auch nicht. Alles ist sehr trübsinnig in diesem Spiel. Ich hatte nicht erwartet, dass es lustig werden würde, zu ernst blicken die teilnahmslos in der Gegend herumstehenden Figuren drein, zu bedrückt klingt das Voice-Acting – und doch kommt man selbst über ein »Meh« nicht hinaus.

Der Widersacher mit dem Hirschschädel. Wer ist er? Was will er? Antworten gibt es keine …

Immerhin die Puzzle verstehen zu unterhalten. Es sind nur nicht besonders viele davon, meistens nur ein, zwei pro Station, und sie sind, wenn man sie einmal verstanden hat, schnell gelöst. Manchmal hängt man ein bisschen an der Frage, was das Puzzle nun von einem will – hat man das durchschaut, geht es ziemlich schnell. An anderen Stellen muss man Lösungen für Kombinationsschlösser herausfinden – die kann man, wenn man will, auch alle bruteforcen, dann verbringt man etwas mehr Zeit im Spiel, ich bin aber bei allen auf die Lösung gekommen, auch wenn ich an einer Stelle ein bisschen länger gehangen habe. Ich mag meine Puzzle gerne knackig und zahlreich, hier fühle ich mich ein bisschen zu kurz gekommen.

Bedingt durch die sehr kleinen Level, die man schnell gelöst hat, ist man durch die Haupthandlung des Spieles schnell durch – man hat eben immer nur einen Bewegungsradius von vier Bildern, die man schnell abgeklappert hat, und so viel passiert dann leider auch nicht. Hat man aber auf der siebten »Station« (in Anführungsstrichen deswegen, weil man sich da in einem Wald befindet und nicht mehr in der U-Bahn) Lauras Geist erlöst, kommt das Bonuslevel dran – und das hat sich dann als deutlich knackiger herausgestellt. Um sieben Würfel zu finden, einen in jeder Station, kann man sich nämlich frei zwischen den Haltestellen bewegen, muss Gegenstände hier aufnehmen, dort benutzen, und hat einfach viel mehr herumzurätseln, auch wenn die eigentlichen Puzzle alle gelöst sind.

Keine U-Bahnhöfe ohne irgendeinen Musiker!

Das Bonuslevel bringt keine neue Handlung mit sich, beantwortet aber die Frage, wieso man manche Stationen verlassen hat, ohne dort alles erledigen zu können, was erledigt (sprich: geöffnet) werden kann. So geht mit einer Handvoll Gegenstände, die man aus dem Hauptspiel noch hat, die große Suche von Station zu Station weiter – eine Aufgabe, die mich zunehmend frustriert hat, nachdem ich sechs von sieben Würfeln gefunden hatte, im letzten Level aber überhaupt keine Stelle mehr sah, an der ich irgendetwas hätte benutzen können. Letzlich habe ich aufgegeben und in eine Komplettlösung geschaut, weil ich es leid war und mich an die Rezi setzen wollte, und die Lösung ist ausgesprochen unintuitiv:

Nachdem ich schon das ganze Level planlos abgeklickt hatte in der Überzeugung, irgendwas übersehen zu haben, war die Lösung – an einer Stelle planlos hinzuklicken, wo ich das noch nicht getan hatte. Und ja, darauf hätte es in einer der anderen Stationen einen kryptischen Hinweis gegeben, den ich aber nicht gefunden habe, obwohl ich alle anderen obskuren Hinweis in  Underground Blossom relativ schnell richtig hatte zuordnen können. So habe ich dann den siebten Würfel gefunden und das Spiel beenden können.

Teilnahmslose Gesichter und Koffer mit Zahlenschlössern – so lässt sich Underground Blossom zusammenfassen

Aber offenbar habe ich auch relativ viel verpasst, denn es gibt eine ganze Reihe Achievement, die ich nicht bekommen habe – ich nehme an, ich habe viele Stellen im Spiel zu schnell gelöst, die Gegenstände immer an den richtigen Stellen benutzt, statt durch Herumklicken etwas auszulösen, das zwar die Handlung nicht vorantreibt, dafür aber ein Achievement gibt. Will ich das Spiel deswegen noch einmal spielen und versuchen, die fehlenden Errungenschaften zu erringen? Eigentlich nicht. Denn dafür hat es mich, U-Bahnen zum Trotz, doch ziemlich kaltgelassen.

Will ich nun die anderen Rusty Lake-Spiele alle noch spielen, um herzauszufinden, wer dieser Harvey, als der man angesprochen wird, überhaupt ist? Ja, schon, auf die Dauer, ich besitze sie ja, und es sind sicher keine schlechten Spiele – aber ich bin nicht begeistert genug, um mich da jetzt dranzusetzen und durchzuklicken. Underground Blossom hatte immerhin eine U-Bahn, und der Graphikstil mit den teilnahmslos zwischen Bahngleisen herumstehenden Figuren hat mich an den belgischen Surrealisten Paul Delvaux erinnert. Für ein Mal war es nett. Aber wenn ich ein schräges Point-and-Click-Adventure haben will, das mich mitreißt und mir viele Puzzle und eine komplexe Handlung bietet, spiele ich lieber noch einmal das großartige Fran Bow.

So gibt das jetzt von mir nur eine eingeschränkte Empfehlung für Leute, die an keinem U-Bahn-Spiel vorbeikommen. Alle anderen können sich Underground Blossom sparen.

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