bookmark_borderCall of the Sea

Ich wollt ich wär unten im Meer …

1934. Norah und Harry Everhart sind einander in treuer Liebe verbunden – eine Liebe, die von Tragik überschattet wird. Norah leidet unter einer mysteriösen Krankheit, die sie schwächt und seltsame Flecken auf ihren Händen erscheinen lässt. Ihre Mutter ist bereits daran verstorben, und auch Norahs Lebenzeit scheint begrenzt, nichts scheint gegen die Krankheit zu helfen. Archäologe Harry, statt die Zeit zu genießen, die ihnen noch gemeinsam bleibt, setzt alles auf eine Karte und bricht mit einer Expedition auf, um eine Heilung für Norah zu finden – und, wie sollte es anders sein, geht dabei verloren. Jetzt bleibt Norah, statt sich zu schonen, nichts anderes übrig, als hinterher zu reisen, und so folgt sie, im Gepäck ihr Tagebuch und das seltsame Messer, das sie per anonymer Post bekommen hat, dem Mann in die Südsee. Dort, in der Nähe von Tahiti, wurde Harrys Expedition das letzte Mal gesehen – und dort soll sich auch Norahs Schicksal entscheiden …

Verschollene Expeditionen sind im Computerspiel ein alter Hut. Sie bewähren sich besonders im Walking Simulator, weil in diesen Spielen voller einsamen Landschaften und leeren Häusern üblicherweise keine Lebewesen angetroffen werden, nichts, was eine Animation erfordern würde, und Expeditionen ihre Fortschritte gern so akribisch dokumentieren, dass schön viele herumfliegende Dokumente eingesammelt werden können, aus denen man sich das Schicksal der Verschollenen zusammenreimen kann.… Weiterlesen “Call of the Sea”

bookmark_borderCaligo

Rumsteh-Simulator 1.0

Im richtigen Leben habe ich es nicht so mit Spaziergängen. Ohne Gewaltandrohung bekommt man mich nicht vor die Haustür. Und warum auch? Wenn ich ein bisschen spazierengehen will, gibt es schließlich Walking-Simulatoren. Und dass ich dieses von vielen als stinklangweilig verachtete Spielegenre sehr gern habe, sollte inzwischen kein Geheimnis mehr sein. Dabei gibt es Abstufungen: In manchen dieser Spiele kann man zumindest ein bisschen mit der Umwelt interagieren, läuft nicht nur von A nach B, sondern trägt dabei Informationen zusammen, die einem üblicherweise die Geschichte erzählen, warum da, wo man gerade herumläuft, ansonsten kein Mensch mehr zu finden ist. In anderen läuft man nur herum, während eine Stimme aus dem Off etwas erzählt. Und in wieder anderen muss man richtiggehend arbeiten, während man sich möglichst frei in einer bezaubernd gestalteten Welt bewegen und umschauen kann.

Ich schätze insbesondere solche Walking-Simulatoren, die mich eine Welt erleben lassen, die es so draußen vor der Tür nicht geben kann. Ein Simulator für einen Waldspaziergang, und mag es noch so realistisch gestaltet sein, reizt mich nicht – ehrlich, da kann ich auch meine Schuhe anziehen und in einen richtigen Wald gehen. Aber eine surrealistische Traumwelt bei vollem Bewusstsein erleben können – sowas mag ich. Dann brauche ich auch keine große Handlung und keine interaktiven Elemente: Auch wenn dann nicht mehr viel von dem übrig bleibt, was ein Spiel zum Spiel macht, und man es stattdessen mehr mit einem dreidimensionalen Gemälde zu tun hat, finde ich das toll.… Weiterlesen “Caligo”

bookmark_borderNevermind

Wenn es mir nur gruselte!

Zu den vernichtendsten Urteilen, die mein Vater über einen Künstler (insbesondere einen Autor) zu fällen pflegte, gehört ohne Zweifel der Satz »Er wollte wesentlich werden.« Vorzugsweise über jemanden aus der Unterhaltungsbranche, dem es nicht mehr ausreichte, zu unterhalten, und der daraufhin ein pseudophilosophisches Geschwurbel von sich gegeben hat. Das konnte zum Beispiel eine Folge der Krimiserie »Derrick« sein, aber auch Bücher, Comics, Musik, nichts war gefeit vor dem Todesurteil »wesentlich«. Nichts gegen Anspruch, aber auch nichts gegen einfache Unterhaltung: Das Problem ist »gewollt und nicht gekonnt«. Mein Vater, um Missverständnissen vorzubeugen, erfreut sich bester Gesundheit, wir haben nur zu lange kein Derrick mehr geschaut. Und ich stelle fest, das gilt auch für Computerspiele. So habe ich mich im vergangenen Jahr durch das völlig zerredete The Old City – Leviathan gearbeitet, das außer Küchenphilosophie und Postkartenmotiven nicht viel zu bieten hatte.

Aber The Old City – Leviathan wollte unterm Strich auch nicht mehr, als eine Geschichte erzählen. Nevermind hingegen, das ich gerade beendet habe, verspricht viel mehr. Es will nicht nur die Abgründe der menschlichen Seele erforschen, sondern dazu noch mich, den Spieler, dahingegend ausbilden, meine eignenen Ängste, Sorgen und Gefühle besser zu verstehen, auf Stressstituationen zu reagieren, und am Ende der vielleicht fünfstündigen Spielzeit wie ein neuer Mensch daraus hervorzugehen.… Weiterlesen “Nevermind”

bookmark_borderThe Old City – Leviathan

Das wird der Weinreinbringer sein!

Viele finden sie langweilig – ich mag das Konzept von Walking Simulatoren. Manchmal möchte man nicht viel machen als herumlaufen und sich umsehen: Weg vom Spiel als solchen, hin zu einem dreidimensionalen Kunstwerk, das man von allen Seiten bewundern und erleben möchte. Unterlegt man das Ganze auch noch mit einer Erzählung, kann man auf diese Weise ganz bezaubernde Welten erschaffen, Geschichten erzählen, Schicksale fühlbar machen – wenn man es gut macht. Zu schnell ist die Grenze zwischen Philosophie und Geschwafel überschritten, wird Kunst zu Schwulst, und leider ist das bei The Old City – Leviathan passiert. Wunderschöne Screenshots laden zum Erkunden ein, der Klappentext verspricht Tiefgang, und kann man einem Spiel widerstehen, bei dem ein Wal mitten in der Stadt herumliegt und in der Postapokalypse einen Hauch von Surrealismus verspricht?

Leider beheht The Old City den ersten Fehler schon während des Ladebildschirms. Ein Warnhinweis wird eingeblendet: »Achtung! Sie betreten einen zerbrochenen Verstand! Nehmen Sie nichts von dem, was Sie sehen oder hören, für selbstverständlich!«. Wirklich, Sherlock? Danke der Warnung. Tatsächlich hätte ich mir das gerne selbst zusammengereimt. Man erfährt, peu à peu, was unseren Protagonisten, aus dessen Augen wir die Welt in Egoperspektive sehen, um den Verstand gebracht hat, aber das Spiel nimmt mir die Chance auf Erkenntnis.… Weiterlesen “The Old City – Leviathan”

bookmark_borderTormentum – Dark Sorrow

Wer die Qual hat, hat die Wahl

Im diejährigen Steam-Wintersale habe ich diverse neue Spiele (viel zu viele, natürlich, wie üblich) zum kleinen Preis erbeutet, darunter nicht nur AAA-Blockbuster, sondern auch kleine Indie-Schmankerln wie Tormentum – Dark Sorrow, das es gegenwärtig für 4,79 Euros gibt. Ich liebe solche Spiele mit abgefahrenem, surrealistischem Artwork, auch wenn Kunst natürlich immer Geschmacksache ist, und bin nicht enttäuscht worden. Mit Graphiken, deren Stil man mit »Hieronymus Bosch meets H.R. Giger« umschreiben kann, fällt dieses Spiel klar in die Kategorie »Eye Candy«: Das Auge spielt mit, und für Spieler, die mehr Wert auf die Optik als auf knifflige Rätsel und stundenlangen Spielspaß legen, gibt es eine klare Kaufempfehlung. Auch die Handlung von Tormentum braucht sich nicht zu verstecken – aber das Spiel ist wirklich sehr, sehr, sehr kurz. Dass ich am Ende sechs Stunden Spielzeit in meinem Steam-Konto verzeichnet hatte, liegt nur daran, dass ich es insgesamt dreimal durchgespielt habe, um alle Errungenschaften freizuschalten, und wenn man es einmal durchschaut hat, dauert ein Durchgang auch nur noch eine knappe Stunde,

Nicht nur vom Titel her erinnert Tormentum an das gute alte Planscape: Torment – auch in Sachen Inhalt haben die polnischen Entwickler vom OhNoo Studio sich deutlich an den Vorgänger angelehnt. Man bewegt sich als gesichts- wie geschichtsloser Held mit Totalamnesie durch eine surrealisistische, böse, verdrehte Welt und trifft Entscheidungen, von denen der Fort- und Ausgang der Geschichte abhängt.… Weiterlesen “Tormentum – Dark Sorrow”