Nemezis – Mysterious Journey III

So ein Myst!

Man kennt das ja – kaum hat man ein Gerät entwickelt, um Menschen auf abgelegene Planeten zu teleportieren, schon kommen die Pauschaltouristen. Amia und Bogart wollen eigentlich nur ein paar erholsame Wochen auf dem exotischen Planeten Regilus verbringen, aber statt gemütlich aus dem Teleporter ins Hotel zu treten und Cocktails auf dem Sonnendeck zu schlürfen, werden sie, getrennt voneinander, sonstwo abgesetzt und müssen auf dem Weg zueinander – und zum Hotel – erst mal einen Haufen archaisch anmutender Maschinen in Bewegung versetzen, quietschende Tore öffnen, und sich mit einem Remote-Fremdenführer herumschlagen, dem noch nicht mal ein sehr argloser Fünfjähriger trauen würde. Soweit zum Einstieg in das heute angespielte Nemezis – Mysterious Journey III.

Ich habe Myst immer noch nicht gespielt. Seit 1995 habe ich mehrere Versuche gestartet, die erst an der Technik gescheitert sind, dann an mir selbst – ich komme in das Spiel einfach nicht rein. Ich weiß nicht, was es von mir will, und es fesselt mich nicht genug, um mich dann wirklich reinzufuchsen. Aber das heißt nicht, dass ich aufgegeben habe – oder das ich das Genre nicht mag, auf einer verlassenen Insel rumzulaufen und solange Dinge herumzurücken und zu -drücken, bis sich irgendwo irgendwas bewegt und ich weiterkomme ins nächste Gebiet. Großen Spaß hatte ich an Obduction, das ich aber nicht fertigbekommen und dann versehentlich neu gestartet habe, nur um jetzt ganz am Anfang nicht mehr weiterzuokmmen, an Quern – Undying Thoughts, und an The Eyes of Ara, das aus der Reihe tanzt, weil es in einem Haus spielt und nicht in den Spuren einer alten Zivilisation.

Hübsch anzusehen ist es ja auf Regilus – aber seltsam vertraut

Wenn ich so ein Spiel sehe, dann kaufe ich es mir nicht nur (vorausgesetzt, es ist im Angebot – es gibt so oft Steamsales, dass ich eigentlich nie etwas zum Vollpreis kaufe) – ich spiele es sogar und lasse es nicht nur auf dem Stapel ungespielter Spiele Staub sammeln. Nemezis – Mysterious Journey III ist erst vergangenen Juli erschienen, und schon habe ich es gespielt. Angespielt, heißt das, und ob ich es zu einem Ende bringen werde, weiß ich noch nicht. Denn so bezaubernd die Umgebung auch aussehen mag, wie von einer der für ihre Zeit graphisch beeindruckenden Myst-Fortsetzungen geklaut, so sehr habe ich mich über das eigentliche Gameplay geärgert.

Nemezis lockt mit Trailer und Screenshots wie ein Hochglanz-Reiseprospekt. Und wer sich nicht sicher ist, kann das erste Kapitel des Spieles kostenlos spielen, es wurde im Vorfeld als Prolog releast, und unsicher, ob es sich um die Vorgeschichte handelt oder doch einen Teil des eigentlichen Spiels, habe ich es mir runtergeladen und gespielt, auch wenn ich die Vollversion bereits besitze. Das muss man nicht machen, der Prolog entspricht wirklich dem ersten Teil des Spieles, aber man wird nicht dafür bestraft, damit angefangen zu haben: Ich konnte das eigentliche Spiel starten und mit »Continue« da weitermachen, wo der Prolog geendet hatte, mein Spielstand wurde erkannt. Das habe ich als Pluspunkt gewertet.

Puzzle, die eigenständig leuchten, verzeihe ich auch im Dunkeln

Der größte Negativpunkt war für mich zu dem Zeitpunkt auch bereits klar: Von Nemezis wird mir schlecht. Zwar kann man das Field of View, den Winkel des Bildausschnitts, einstellen – aber nur zwischen 90 und 110. Für die allermeisten Leute reicht das aus. Aber offenbar habe ich einen eingebauten Tunnelblick, einen engen Blickwinkel, einen Knick in der Optik – wenn man mich lässt, stelle ich mein FoV auf irgendwas zwischen 80 und 85. Mehr, und ich werde seekrank. Nein, seekrank ist das falsche Wort – auf Schiffen habe ich kein Problem, auch bei Seegang, und einen robusten Magen. Aber von Nemezis wird mir so schlecht, dass ich es nur in kleinen Inkrementen spielen kann. Immerhin, von dem ständigen Kopfnicken, mit dem mich der Prolog noch genervt hat, haben sich die Entwickler für die Finalversion verabschiedet. Aber das war nur ein schwacher Trost. Schlecht ist mir trotzdem geworden.

Aber der Prolog hat mir gefallen. Ich mag diese Art von Rätseln, bei denen man solange an den Dingen herumdreht, bis etwas funktioniert, und dann bei den nächsten Zahnrädern wahlweise bruteforchen kann, bis der Arzt kommt – sechs Räder mit jeweils acht Einstellungen, ist machbar, kann aber dauern – oder einen Geistesblitz später nachschauen geht, wie man dann die ersten Räder, zufällig insgesamt auch sechs Stück, eingestellt hat. Zwei Puzzle später hat Amia den Aufzug in Gang gesetzt, ganz wie der ominöse Guide es ihr aufgetragen hat, und dass der sie dann zu Bogart und Hotel bringt, glaubt sie noch nicht einmal selbst. Aber die Graphiken sind schön und klar, man sieht, wo etwas zu tun ist, selbst wenn man nicht sofort weiß, was, und selbst mit Kopfnicken und Seekrankheit kann ich leben, wenn das Level in zwanzig Minuten abgeschlossen ist und ich mich erholen kann.

Wir empfehlen, den NSC großzügig zu umfahren.

Aber dann! Kapitel Zwei! Da ging es dann den Bach runter. Wir haben schließlich zwei Protagonisten, und wir spielen die beiden im Wechsel. Und der arme Bogart hat nicht nur ein Temperament, dem man einen Anger-Management-Kurs empfehlen würde, motzt vor sich hin und stapft durch die Rabatten mit einem Schrittgeräusch, das an ein trotziges Kleinkind erinnert – er steht auch auf einer Ecke des Planeten, wo gerade Nacht ist. Und bei Nacht sieht man nicht nur herzlich wenig von der bezaubernden Architektur und den allgegenwärtigen Eidechsen und Schildkröten – man kann auch die Puzzle nicht mehr richtig erkennen. Die ersten beiden sind zwar, wenn auch wenig intuitiv, noch ganz gut ausgeleuchtet – der Rest findet im Dämmerlicht statt. Was dazu führte, dass ich einen kompletten Seitenweg schlichtweg nicht gesehen habe und mich gewundert, warum es nicht weiterging, bis ich zufällig drüber gestolpert bin.

Es hat herzlich wenig Spaß gemacht, die drehbaren Räume eines Palastes aufeinander auszurichten, wenn man wahlweise das Drehrad oder den Palast von Weitem sehen kann und, um zu erkennen, was genau sich jetzt geändert hat, immer wieder rüberlaufen und vor Ort nachsehen muss, wobei man einen mitten im Weg stehenden NSC so großzügig umrunden muss, als wäre der von unsichtbaren Wänden umgeben. Und hat man das geschafft und denkt, der blöde Teil liegt hier einem und man kann das Nacht-Level endlich abschließen, kommt der eigentliche Klops: Eine Brücke in verschiedenen Farben, von denen eine nicht trägt und einen, sanft, aber nervig, auf die drunterliegende Etage fallen lässt, von wo man zurücklaufen muss.

Ändere die Farben der Brücke … Welche Farben, zum Henker? Ich sehe praktisch nichts!

Mit einiger Anstrengung finde ich zwar im Dunkel die Hebel, mit denen sich die Farben der Brücke umstellen lassen – aber was hilft das, wenn man die eigentlichen Farben in diesem Licht überhaupt nicht ausmachen kann? Ich bruteforce ja wirklich, wirklich gern. Aber wenn man zehn Hebel mit jeweils zwei Einstellungen hat und das Bruteforcen so aussieht, dass man probeweise einen Hebel umlegt, auf die Brücke tritt, schaut, ob sie trägt, nach unten fällt und wieder zurücklaufen muss, um den nächsten Hebel auszuprobieren – dann ist es nicht mehr Bogart, der seine Aggressionen unter Kontrolle bringen muss, sondern ich selbst. Irgendwie schaffe ich es, durch Fluchen und blindes Rumklicken, aber was mich bei der Stange hält, ist nicht der Spielspaß, sondern die Vorfreude, dieses Ärgernis beherzt verreißen zu dürfen. Und zum Glück ist der Nacht-Akt danach auch schnell abgeschlossen, und das nächste Level bringt uns zurück zu Amia und dem Tageslicht.

Nachdem ich, den Prolog eingeschlossen, gut drei Stunden in das Spiel versenkt habe und drei von sieben Akten durchgespielt, habe ich erst einmal genug. Ich wollte Nemezis – Mysterious Journey III mögen, wirklich. Ich dachte, es ist genau das Spiel für mich. Aber es nervt nur. Bogart nervt. Amia nervt. Der Guide nervt. Die Puzzle nerven. Hat man etwas geschafft, stellt sich kein Belohnungsgefühl ein, keine Vorfreude fürs nächste Puzzle – ich fühle mich wirklich wie die beiden Touristen, denen eine schöne Zeit versprochen wurde und die stattdessen zum Arbeiten gezwungen werden. Mich nerven selbst die bezaubernden Eidechsen, die überall herumkriechen in dem Versuch, den Planeten etwas lebendiger erscheinen zu lassen, und ganz besonders nerven mich die sporadisch herumstehenden NCS, die man anklicken kann, damit sie wie eine Figur im Märchenwald einmal ihren Text abspulen, um danach reglos im Weg herumzustehen, ohne dass man noch mal irgendwie mit ihnen interagieren kann.

Endlich wieder Tageslicht!

Was ich an Spielen wie Quern, Eyes of Ara oder vor allem Obduction mochte, war, dass man einen großen Bewegungsradius hat und erst mal herausfinden muss, wo man etwas verändern kann und was das jeweils zur Folge hat. Man muss den Kopf anstrengen, Verbindungen ziehen, beobachten, herausfinden. In Nemezis sind die Puzzle offensichtlich, die Level klein – man läuft, steht vor einem Puzzle, und es geht nicht weiter, bis man das gelöst hat, läuft ein Stück weiter, steht vor dem nächsten Puzzle, und so weiter.  Da hilft dann auch keine exotische Architektur mehr, erst recht, wenn die aussieht wie beim großen Vorbild Myst abgekupfert – sie ist nur Kulisse, in den Häuschen brennt vielleicht Licht, aber man kann sie nicht betreten, und sie wirken auch nicht so, als ob dort jemand leben würde. Selbst die herumstehenden NCS scheinen dort nicht zuhause zu sein, sie wirken so losgelöst vom Rest wie die unmotiviert alles blockierenden Puzzle – wie diese Leute von A nach B kommen sollen, wenn nicht gerade Touristen kommen und Brücken und Aufzug reparieren, erfährt man nicht.

Die Spielebeschreibung auf Steam, so dick aufgetragen, wie das nur irgendwie geht, verspricht großartig geschriebene Figuren mit Tiefgang. In meinen drei Stunden habe ich von diesem Tiefgang jedenfalls nichts mitbekommen. Und dass die Plotwendungen des Finales selbst die hartgesottensten Genre-Fans überraschen wird – so weit muss man erstmal kommen, und bis dahin hat der Plot mich nicht zu packen bekommen. Stattdessen haben wir den herumnölenden Bogart und die resignierte Amia, die längst nicht mehr an das Hotel glaubt, aber mitspielt, weil sie sonst auch nicht mehr wegkommt, synchronisiert von Sprechern, denen die richtige Motivation zu fehlen scheint – insbesondere Amia, immerhin Hauptfigur, leiert ihre Texte mit routinierter Langeweile runter, dass jeder der herumknödelnden NCS sie an die Wand spielt und ich froh bin, wenn sie den Mund hält. Was für ihr overactendes Gegenstück, den allzeit maulenden, meckernden Bogart, genauso gilt.

Du kommst hier nicht durch! Und inzwischen will ich das auch gar nicht mehr.

Dem Namen des Spiels kann man entnehmen, dass es bereits der dritte Teil einer Reihe ist. Zu dem Zeitpunkt im letzten Sommer, als ich Nemezis gekauft habe, waren die beiden deutlich älteren Teile von Mysterious Journey noch nicht auf Steam erhältlich. Inzwischen ist dort auch Teil 2, Schizm, gelistet, und ich überlege, diesem Spiel noch eine Chance zu geben – allerdings ist dieses Spiel von 2001, sieht dem klassischen Myst noch ähnlicher, und inwieweit das Spiel mit heutigen Standards noch mithalten kann, weiß ich nicht. Seit Oktober ist Schizm auf Steam, hat dort noch keine einzige Rezension gesammelt, und ist für ein über zwanzig Jahre altes Spiel dann noch verhältnismäßig teuer – der nächstes Steam Sale kommt bald, ich halte das mal im Auge, verspreche mir aber nicht zu viel davon.

Und vielleicht ist dann auch Myst im Angebot, das auch in VR spielbare Remake des Klassikers, auf dem ich seit seinem Release im letzten Jahr ein Auge habe. Vielleicht klappt es dann endlich mal mit Myst und mir. Bis dahin kann ich mich noch mal an Obduction wagen. Und vielleicht, vielleicht, vielleicht Nemezis noch ein bisschen weiterspielen. Wenn ich mich entschieden habe, um was es mir mehr leid tut: Um die fast siebzehn Euronen, die ich für dieses spiel ausgegeben habe – oder doch um meine Zeit. Denn so leid es mir tut, das zu sagen – Nemezis – Mysterious Journey III ist nicht Myst, sondern Mist.

Kommentare

  1. Huhu!

    Ok, das streiche ich dann direkt mal von der Merkliste. Nicht nur, weil es nicht sehr lohnend klingt – ich bin auch mega-empfindlich und muss meinen FoV ähnlich einstellen wie du.

    LG,
    Mikka

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert