Triple Town

Neun Bären sind ein Dom

Casual Games sind das Schlimmste überhaupt. Ein Level oder eine Runde ist so kurz, nichts hält einen davon ab, mal eben schnell eine zu spielen, und dann noch eine Runde, und noch eine, und auf einmal sind zehn Stunden rum, und ein Ende hat dieses Spiel nicht … Da habe ich mir im Steam Winter Sale die tollsten Spiele gekauft, AAA Blockbuster zum kleinen Preis, habe hunderte von Gigabyte and Daten runtergeladen, und was spiele ich? Die PC-Adaption eines Handyspiels, 50 Megabyte groß, kitschige Graphiken, und ein unwiderstehlicher Knobelspaß. Im weitesten ist Triple Town eine Match3-Aufbausimularion, schnell gelernt, nie gemeistert, mit unendlichem Wiederspielwert, hohem Suchtfaktor, und einem üblen Pferdefuß. Und wenn man es im Sale für kleines Geld bekommen kann, sollte man zuschlagen. Für die rund zehn Euro, die man regulär berappen muss, bekommt man im Gegenzug zwar Stunden um Stunden an Spielspaß, aber nicht das Gefühl, viel Spiel fürs Geld bekommen zu haben.

Aller guten Dinge sind drei, und in Triple Town gilt das erst recht. Drei Büschel Gras nebeneinander oder über Eck ergeben einen Busch. Drei Büsche sind ein Baum. Drei Bäume geben ein Haus, drei Häuser eine Villa, bis man irgendwann beim Wolkenschloss angekommen ist. Aber es ist ein Trick dabei: Man muss genau überlegen, was man wohin setzt, denn der neue Gegenstand erscheint immer an der Stelle des dritten Dings, das man baut, und wenn man nicht aufpasst, hat man seine drei Häuser plötzlich nicht zusammen, sondern als Dreieck arrangiert und kommt nicht weiter, und es bilden sich unschöne Lücken, die man nicht füllen kann. Dazu kommt der Tetris-Effekt: Man weiß, was man braucht, aber nicht, was man bekommt. Meistens sind es Grasbüschel, aber es kommen auch regelmäßig Büsche dazwishcen, ab und an ein Baum oder sogar ein Haus, und ach ja, Bären.

Bären. Alles voll Bären. Keine Löwen oder Tiger, allerdings

Bären sind lästig. Sie laufen unkontrolliert in unserer Stadt herum, und wo sie gerade stehen, kann man gerade nichts bauen. Bären lassen sich besiegen, indem man sie komplett mit Buschwerk und Gebäuden umzingelt, dann verwandeln sie sich in einen Grabstein, und natürlich lässt sich das auch weiter aufrüsten: Drei Grabsteine eine Kirche, drei Kirchen ein Dom. Dass aus Bäumen Häuser werden, kann man ja noch nachvollziehen, aber die kultische Verehrung des Großen Bären ist doch eine eher unerwartete Sache. Dazu kommen noch Ninjabären, die überall hin teleportieren können und sich nicht festsetzen, sondern nur durch Killer-Bots töten (natürlich gibt es Killer-Bots in niedlichen Wuselspielen. Kein Spiel ohne Killer-Bot!)

Jede Stadt lässt sich auf ihrer Fläche zwischen vier mal vier und sechs mal sechs Feldern so lange erweitern, bis kein Platz auf dem Spielfeld mehr ist; dann gilt die Runde als gewonnen, und man bekommt, je nachdem, wie weit man gekommen ist, Geld und Ressourcen und ein kleines Feuerwerk, bei dem die niedlichen Bewohner der Stadt herumhüpfen, selbst wenn sie dabei ins Meer fallen und jämmerlich ertrinken. Verlieren kann man nicht. Im Zweifelsfall wird es eben nur ein kleines Dorf. Mit den gewonnenen Ressourcen geht man in seine Hauptstadt, um auch die in Dreierschritten auszubauen: Drei Holz geben einen Zaun, geben eine Mauer, geben ein Katapult, eine Kanone, einen Wachturm …

Bisschen klein, die Hauptstadt. Kann aber noch wachsen.

In der Hauptstadt, die mit fünf mal fünf Feldern startet, aber erweitert werden kann, wird schell der Platz knapp. Für einen Wachturm braucht man nicht weniger als 243 Stück Holz, und die sind unmöglich so zu verteilen, dass man am Ende wirklich drei Kanonen an einem Stück hat. Dauernd verbaut man sich seine Hauptstadt, hat halbfertige Dinge im Weg stehen, und muss für teures Geld einen Kran bemühen, um einzelne Teile umzusetzen (und dieser Kran, ein One-Use-Item), ist wirklich arg teuer. Will man stattdessen ein neues Spiel anfangen, weil man es jetzt besser weiß und weniger Fehler machen würde … kann man das nicht. Es gibt genau einen Spielstand pro Steam Account. Und der kann nicht resettet werden. Früher war es wohl noch möglich, einfach die Spielstanddatei zu löschen, aber inzwischen läuft das Triple Town über die Steam Cloud, man hat keinen Zugriff mehr auf den Speicherstand, und es gibt eine von-hinten-durch-die-Brust-ins-Knie-Lösung, für die man sich eine Datei beim Entwickler des Spiels runterlädt, die in seinen Steam-Ordner packt und das Spiel damit zwingt, einen leeren Spielstand in die Cloud hochzuladen. Wirklich, eine neues-Spiel-Option wäre so viel einfacher gewesen – aber welches Handyspiel hat die schon?

Genauso schwer ist es, das Spiel zu beenden, wenn man einmal angefangen hat. Zu den guten Ideen von Triple Town gehört, dass der Spieler jederzeit selbst entrscheiden kann, was für eine Art Level er spielen will. Mag keine Bären? Geh ins Friedliche Tal, wo es keine Bären gibt. Umgekehrt kann man auch ein Spiel mit extra vielen Bären haben. Das eine gibt nicht mehr Punkte oder Geld als das andere, es sind unterschiedliche Herausforderungen, und für jeden Geschmack ist was dabei. Man kann pro Level-Art ein Level parallel spielen und entscheiden, woran man weiterspielt – bei lang laufenden Runden muss man dran denken, regelmäßig in die Hauptstadt zu gehen und dort Ressourcen einzusammeln, die man wiederum braucht, um die Stadt weiter auszubauen, also ab und zu wieder auf die Heimatinsel segeln schadet nicht, und die Chance könnte, mit Betonung auf könnte, man nutzen, um das Spiel wieder zu verlassen und zur Abwechslung etwas anderes zu tun.

Zur Feier des Tages stürzen sich all die kleinen Männchen ins Meer und ertrinken.

Tatsächlich gehört Triple Town zu den Spielen, die einen Warnhinweis brauchen, weil man so viel Zeit sinnlos damit verwenden kann. Selbst mein Mann, der eigentlich keine Casual Games und erst recht keine Match3-Spiele spielt, hat Stunden mit Triple Town verbracht, nachdem ich ihm gesagt habe, es wäre eine Aufbaustrategie, und einen halben Tag später konnte er mir noch nicht mal sagen, ob er ihm das Spiel, das er gerade konzentriert Stunde um Stunde gespielt hat, überhaupt Spaß gemacht hat. Es ist einfach unwiderstehlich niedlich, hat den Wusel- und Suchtfaktor, und wir haben mir allen ernstes eine Kindersicherung gebastelt, damit ich auch mal zum Arbeiten komme. Nur auf eine andere Methode bringt mein Mann mich noch dazu, das Spiel schnell zu beenden und etwas anderes zu tun: Wenn er den Spieletitel singt auf die Melodie des Alles steht Kopf-Ohrwurms »Triple Dent Gum«. Oder, wie ich es nenne: den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Dass ich noch Stunden später in meinem Kopf Dinge in Dreiergrüppchen sortiere (während ich »Triple Dent Gum« summe), verrate ich ihm lieber nicht …

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